www.speaking-germany.de
Begrüßung und Einführung von Sharone Lifschitz
Foto: © Graham Westfield
Liebe Besucher,
Diese Seiten bieten einen Überblick über das
Projekt 'Speaking Germany', und wir
bitten Sie freundlich darum, auch das 'Guest book' (Gästebuch) zu besuchen und Kommentare, Bilder,
Gesprächsfragmente etc. zu
hinterlassen, damit dieses Gespräch über seinen ursprünglichen, bescheidenen
Anfang hinauswachsen kann.
Dieses Projekt begann im April 2004, durch eine Einladung zur Teilnahme an einem
internationalen
Kunstwettbewerb des QUIVID "Kunst am Bau"-Programm der Stadt München für das
neue Jüdische Museum
in München. Ich begann damit, in diversen lokalen und nationalen Zeitungen eine
Anzeige mit dem folgenden
Wortlaut aufzugeben: "Young Jewish woman visiting Germany would like to have a
conversation about nothing in
particular with any one reading this" (Junge jüdische Frau, die Deutschland
besucht, hätte gerne ein Gespräch
über nichts Besonderes mit jemandem, der dies liest.) Ich bekam genügend
Antworten, um daraus zu schließen,
dass im heutigen Deutschland ausreichend Interesse bestand, dieses Projekt
weiterzuverfolgen.
© Wilfried Petzi
Fast ein Jahr später, nach der Teilnahme an einigen Abendkursen
Deutschunterricht, ausgestattet mit einem
Vertrag der Stadt München und nachdem ich einige weitere Anzeigen geschaltet
hatte, bin ich im April 05 nach
München gereist und habe einige Menschen getroffen. Im Mai kam ich wieder, und
diesmal besuchte ich weitere
Städte und dann abermals im Juni und September. Ich habe mich mit über 45
Personen zu Gesprächen, die
zwischen einer Stunde und einem Tag dauerten (und einigen, die sich bis heute
fortsetzen), getroffen. Ich hatte
keine vorformulierten Fragen, keinen Ablaufplan und keinen zentralen
Interessensfokus. Niemand derer, die ich
traf, war alt genug, um während der Kriegsjahre auch nur ein Teenager gewesen zu
sein. Einige erinnerten sich
aus ihrer Kindheit daran; für andere war es weit zurückliegende Geschichte.
Niemand, der aktiv am Krieg
teilgenommen haben könnte, hat mich je kontaktiert.
Ich nutze diese Gelegenheit, mich bei vielen meiner Gesprächspartner dafür zu
entschuldigen, dass ich zu
gegebener Zeit nicht erklärt habe, dass ich bereits wusste, dass ich Fragmente
aus den Gesprächen in der "München in Shortcuts"- Phase benutzen würde. Ich kann mir selbst vergeben, da
ich manchmal zu viel Angst
vor Ablehnung hatte oder nicht wusste, wie ich erklären könnte, was ich tat oder
wonach ich suchte.
Ich wusste
außerdem, dass ich kein Interesse daran hatte, die Gesprächsfragmente auf eine
Weise zu präsentieren, die
Einzelpersonen identifiziert oder kompromittiert hätte.
Die Poster, die Tram und alle weiteren Bestandteile dieses Projektes, die ich
immer wieder erweitert und
verändert habe, waren ein Versuch, als Person Einfluss zu nehmen; ein Weg, über
Versuch und Irrtum etwas zu
erreichen, emotional berührt zu werden und gehen zu lassen; und ein Versuch der
Interaktion mit Menschen,
Städten und Gedankenmustern.
Vielleicht habe ich nicht 'Deutschland' kennen gelernt, sondern lediglich die
selbsternannten Leser einiger
Zeitungen. Ich kann nicht sagen, ob meine Begegnungen einer repräsentativen
Vorlage entsprechen oder wie sie
hätten anders sein können. Aber dieses Projekt basiert auf persönlicher
Erfahrung und ist nicht als statistische
Erhebung gedacht. Wenn Sie der Ansicht sind, dass eine gewisse Ausgewogenheit
angesprochen werden sollte,
dann fügen Sie das bitte in Ihrem Kommentar im Gästebuch an.
Vor allem bin ich dankbar, dass ich Menschen treffen durfte, deren Offenheit,
Großzügigkeit und Freundschaft mir
ermöglicht haben, immer weiter voranzukommen und immer wieder Gründe zur
Fortsetzung des Projektes zu
finden.
Es gab für mich auf dieser Reise einige Momente, in denen ich es geschafft habe,
einen Blick davon zu
erhaschen, was ich eigentlich versucht habe. Mir ist einerseits klar geworden,
dass die Reise für mich persönlich
zum Teil etwas damit zu tun hatte, die Furcht vor dem Anderen zu überwinden (wie
immer und wieder).
Außerdem habe ich erkannt, dass ich Deutschland ein Geschenk in Form eines
Gespräches bereitete.
Um zu verstehen, sich einer Erfahrung zu öffnen, eine Furcht zu überwinden, muss
man sein Urteil zurückstellen.
Aber wenn man das tut, riskiert man auch, zumindest zeitweise das zu verlieren,
wofür man meinte zu stehen.
Indem ich meine Arbeit in der Öffentlichkeit zeige, gebe ich mich auch der
Möglichkeit hin, dass meine Worte
missbraucht und meine Absichten durch die Hand derer verzerrt werden, die sie
gebrauchen könnten, um ihre
eigenen Ziele zu verfolgen und zu rechtfertigen. Ich nehme dieses Risiko
bereitwillig in Kauf, denn ich weiß, dass
diese Arbeit zum Überleben auch ihre Verteidiger finden muss.
Ich widme diese Arbeit vor allem meinen Eltern Oded und Yochke, die extra zum
ersten Mal in ihrem Leben nach
Deutschland reisen werden, um mich zu der Eröffnung des Projektes zu begleiten,
außerdem den Menschen, die
ich in Deutschland getroffen habe, dem Andenken an Rena und Robert Levin und
Ihnen, dem Leser, der
Besucherin, den Fremden auf der Straße.
Sharone Lifschitz Dezember 2006, London
"Speaking Germany" von Sharone Lifschitz
Einführung von Emily D. Bilski, Kuratorin
Jüdisches Museum München
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über das Jüdische Museum München
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© Wilfried Petzi
hagalil.com 14-03-07 |