Einführung von Emily D. Bilski, Kuratorin
Jüdisches Museum München zur Ausstellung "Speaking Germany" von Sharone
Lifschitz
Wie können Deutsche und Juden miteinander über Deutschland sprechen? Wie können
wir uns
nicht über Deutschland unterhalten?
Diese zwingenden Fragen spielen in dem Projekt Speaking Germany von Sharone
Lifschitz eine zentrale
Rolle. Als Jüdin und Israeli war die Künstlerin fest entschlossen, sich mit
Deutschland auseinanderzusetzen.
Für sie war es ein entscheidender Schritt, nach Deutschland zu kommen.
Sharone Lifschitz eröffnete den Dialog damit, dass sie ein anonymes Inserat in
englisch in mehreren
Zeitungen aufgab. Daraufhin korrespondierte sie mit den Antwortenden per E-Mail,
traf sich in manchen
Fällen mit ihnen, und spannte so einen Bogen vom Anonymen zum Persönlichen. Das
Material aus diesem
Prozess, wie E-Mails und Protokolle ihrer Unterhaltungen, ist die Grundlage von
verschiedenen
Installationen, die Sharone Lifschitz für den Stadtraum München gestaltete.
[KONTAKT
AUFNEHMEN?]
Speaking Germany beginnt
leise, mit Textfragmenten, die auf einer Straßenbahn vorübergleiten. Allmählich
entwickelt sich das Projekt
zu einem Crescendo von Plakaten und Großflächen, welche die ganze Stadt und die
Umgebung des
Jüdischen Museums bespielen. Langsam schwindet es dann auf ein paar
Abschiedsbotschaften, bis es
ganz verklingt und nur noch als Erinnerung abrufbar ist. Jede der Etappen von
Speaking Germany ist nach
einem der Gänge in den Mahlzeiten benannt, welche die Künstlerin auf ihrer Reise
durch Deutschland zu
sich nahm: "Aperitif", "Vorspeise", "Hauptgericht" und "ein letzter Drink."
© Wilfried Petzi
Sharone Lifschitz ist eine gewandte Beobachterin und mitfühlende Zuhörerin.
Speaking Germany funktioniert
deshalb, weil die Künstlerin unvoreingenommen ist: Sie nimmt das Gehörte auf,
akzeptiert es und erkennt den
größeren Zusammenhang. Weil sie offen ist für alles, was eine Begegnung mit sich
bringt, fördert ihre Kunst
eine größere Offenheit beim Beobachter.
[KONTAKT
AUFNEHMEN?]
Deutsche Städte sind zu Trägern von Mahnmalen geworden, welche entweder der
Opfer der Schoa
gedenken, oder die Orte markieren, an denen Juden lebten, oder an die
Entrechtung der Juden in
Deutschland erinnern. Viele Mahnmale haben Texte zur Grundlage: Auszüge aus
NS-Verordnungen, die
Namen der Opfer oder von Konzentrations- und Vernichtungslagern.
Im Gegensatz dazu ist Speaking Germany keine dauerhafte Intervention - es ist
genauso flüchtig wie die
Gespräche, die diesem Projekt zu Grunde liegen. Das Projekt wird nur im
Gedächtnis der Künstlerin, ihrer
Gesprächspartner und den Personen, die der Intervention im Stadtraum begegnet
sind, weiterleben.
© Wilfried Petzi
speaking-germany.de/shortcuts
Die
Video-Sequenz wird der einzige bleibende Verweis auf das Projekt sein. Speaking
Germany spricht sowohl die
Gegenwart als auch die Zukunft an. Juden und Deutsche teilen eine komplexe und
stark
ineinanderverwobene Vergangenheit.
Das Projekt Speaking Germany spricht Themen an, die Deutsche und Juden, Deutsche
und Israelis
verbinden. Die Begegnung ist unumgänglich: Die Herausforderung liegt darin, das
Schweigen in einen
nachhallenden Austausch zu verwandeln und an die Öffentlichkeit, in einen freien
Raum zu bringen.
Emily D. Bilski
"Speaking Germany" von Sharone Lifschitz
Sharone Lifschitz an ihre
Besucher
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über das Jüdische Museum München
Speaking-Germany.de
© Wilfried Petzi
hagalil.com 14-03-07 |