"Territories" im KW:
Raum als Kategorie der Macht
gs tacheles-reden/hagalil
Die noch bis zum 7. September 2003
verlängerte Ausstellung im Institut für Gegenwartskunst "Kunst-Werke Berlin"
(KW) in Berlin zeigt Arbeiten zum Thema Raum und zu den Relationen Raum, Politik
und Macht. Das Projekt versteht sich als offene Plattform für Architekten,
Filmemacher, Kritiker und Künstler, die sich interdisziplinär den Komplexen der
Produktion von Raum, dessen Eroberung und Besetzung, seiner Verteidigung und
Kontrolle annähern. Der größte Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der
Raumpolitik im Nahen Osten.
Zu dem Ausstellungsprojekt wurde ein
umfangreicher, sehr empfehlenswerter, leider sehr teurer, Katalog herausgegeben,
der nicht nur die einzelnen Werke dieser Ausstellung, sondern auch ausführliche
Diskussionsbeiträge der Teilnehmenden präsentiert. Der Kurator der KW, Anselm
Franke, stellt in seiner Einleitung die Bedeutung des Raumes heraus: "
Space is a fundamental category for any form
of power. It is a medium of social relations, articulated as physical and
symbolic distance, proximity, position, opposition, and simultaneity. The
production and control of space is thus crucial to any execution of power,
representing its potency, reproducing its social order, and neutralizing and
naturalizing its objectives through planning processes that lead to a specific
physical layout."
(Ausstellungskatalog Territories, Berlin 2003, S. 10)
Das Kernstück der Ausstellung ist die
Untersuchung "A Civilian Occupation. The Politics of Israelian Architecture" zur
israelischen Siedlungs- und Raumpolitik. Ursprünglich hatten die beiden
Architekten Eyal Weizman und Rafi Segal diese Arbeit als offiziellen
israelischen Beitrag zum Weltkongress der Architektur UIA 2002 in Berlin
konzipiert. Zwei Wochen vor Ausstellungsbeginn jedoch zog der Präsident des
israelischen Architektenverbandes (IAUA), Uri Zerubavel, die Unterstützung
zurück, offizielle Institutionen wie das Kulturministerium und die nationale
Lotterie traten als Sponsoren zurück.
Für Eyal Weizman begann 1967, mit der
Besetzung der West Bank und dem Gazastreifen, ein großes Projekt strategischer,
territorialer und architektonischer Planung, das heute ein zentrales Element im
israelisch-palästinensischen Konflikt darstellt. Die Landschaft und das Bauland
wurden Arena des Konflikts. Die jüdischen Siedlungen Inseln einer
territorialen und personellen Demokratie, Manifestationen des zionistischen
Pionierethos entstanden auf den Hügelkämmen der Region und überragen die
umliegenden palästinensischen Dörfer und Städte. Parallel entwickelte sich ein
neues Verständnis des Territoriums: Die besetzten Gebiete wurden nicht mehr nur
in zweidimensionaler Ausdehnung begriffen, sondern strategisch, politisch und
religiös dreidimensional belegt. Was aus der einen Perspektive als notwendige
Struktur der Selbstverteidigung bezeichnet wird, stellt sich aus einer anderen
als Schlüssel zur Landkontrolle dar: Diese These wird mit Aufsätzen,
detailliertem Kartenmaterial, Fotographien aus der Luft und Filmmaterial
deutlich gemacht.
Die Beiträge von Sharon Rotbart und Zvi
Efrat beleuchten den historischen Kontext der Besiedlung in Israel und zeigen
mit interessanten Film- und Tondokumenten die Entwicklung zwischen utopischer
Architektur, militärischer Funktion und Architektur-Moderne.
Die italienische Gruppe "Multiplicity"
beschäftigt sich mit dem Projekt "Solid Sea" mit spezifischen Grenzsituationen
nicht nur in Israel und Palästina, sondern im gesamten Mittelmeerraum. Der hier
präsentierte Teil ihres Projektes dokumentiert filmisch ein Stück Weg in der
konfliktgeladenen Region: für die gleiche Entfernung von a nach b benötigen sie
mit dem Auto in Begleitung eines Menschen mit israelischen Papieren etwa eine
Stunde, mit palästinensischen Papieren auf der für diese bestimmte
Parallelstrecke mehr als fünf Stunden.
Der sich über vier Stockwerke erstreckenden
Ausstellung, mit weiteren Beiträgen wie z.B. zu dem exterritorialen Raum der
Marine Airbase Guantámano Bay auf Cuba, gelingt es, die Unmengen von Information
mit sinnlichem Eindruck zu verbinden. Auch nicht Landeskundige wird sie mit
neuen Gedanken über die komplizierten territorialen Verstrickungen in der Region
entlassen. Die Ausstellung dokumentiert und analysiert, sie stellt keine
politischen Forderungen und doch stellt sie unabdingbar heraus, wie wichtig
und auch kompliziert eine Friedenslösung für den Nahen Osten ist.
Empfehlenswert.
Territories
KW, Auguststraße 69
10117 Berlin
Öffnungszeiten:
Di So 12 18.00, Do 12 20.00 Uhr
hagalil.com 15-08-03 |