Arie
Berkowitz:
Bauhaus-Spuren in Tel Aviv
Von
Anna Zanco Prestel
Mit dem
Fahrrad durch die Straßen Tel Avis, der lebhaften Multikulti-Metropole, die nie
zum Schlafen kommt. Unterwegs in einem Tempo, das erlaubt, das Unterschiedliche,
das Eklektische einer Realität wahrzunehmen, die westlich ist, obwohl in einem
morgenländischen Umfeld eingebettet. Aspekte der Wirklichkeit wahrnehmen, sie im
vorbei Fahren auf sich wirken lassen, um die größtmögliche Fülle an Eindrücken
zu gewinnen, um Fragmente einer in der Vielfalt ruhenden Schönheit zu sammeln.
Die sehr
aparten, in ihrer raffinierten Gestaltung einzigartigen Holzkreationen Arie
Berkowitzs sind das Resultat seiner mit Künstleraugen unternommenen Rundfahrten
in der israelischen Stadt, wo er seit einem Paar Jahrzehnten lebt und seinen
Wirkungskreis hat. Sie sind nichts anderes als die schöpferische Transponierung
einer flüchtigen Vision, die spontan aus der Betrachtung vertrauter und neu
entdeckter Dinge entsteht und - aus einer Eigendynamik heraus - zu ungeahnten
Metamorphosen, zu erstaunlichen Eskamotages hinführt.
Dominierend ist die Liebe zum Detail, die auch in der Beschäftigung mit
Innenräumen mit ihren Gebrauchsgegenständen zum Ausdruck kommt – mal ist es ein
Teppich oder eine Treppe, mal ein Designstuhl oder eine Stehlampe, die ihr Licht
ausstrahlt –: es ist die Arbeit des erfahrenen Designers, die sich in
Kunstobjekt verwandelt. Liebe zum Detail ist vor allem aber – wie anfangs
erwähnt - Liebe zum Ort, zum innig geliebten Tel Aviv, zu den Assoziationen,
die es erweckt, zu den Erinnerungen, die es wach ruft. Minimalistisch
entworfene Silhouetten, beinah zu Verzierungen reduzierte Umrisse treten zum
Vorschein auf den fast immer unbehandelten Naturholzflächen seiner "objéts
trouvés": Schlichte Holzstücke, natur belassene Holzreste mit Formen, die seine
rege Phantasie in poesievolle Kleinöde umwandelt. Manche von ihnen wirken wie
Scherenschnitte für ein Schattentheater, in dem die Kulisse der Stadt zum
Hauptelement eines mysteriösen Bühnenbildes aufsteigt. Eine Form der
Darstellung, die Berkowitzs Ursprünge verrät: Nämlich seine langjährige
Betätigung auf dem Gebiet der Bühnengestaltung und des Theaterdesigns. Bemalt
sind sie mit durch Klebstoff versiegelten Acrylfarben, die oft im kreisförmigen
Verlauf wie ein dünner Lavastrom auf Kanten und Ecken der dreidimensionalen
Minikonstruktionen übergehen, um – man würde fast sagen - ins Unendliche weiter
zu fließen…
Phantasie gepaart an einem subtilen Humor leitet die sensible Hand des Künstlers
und versetzt den Betrachter/Zuschauer in die Lage, den kleinen Mikrokosmos aus
verschiedenen Blickwinkeln zu ergründen, auf einer Art, welche an die simultane
Sichtweise der Kubisten erinnert. "Der Kubismus – sagt Berkowitz – hat mich
immer wegen seinem wagemutigen, allen Regeln trotzenden Kontrast aus
Raumnivellierung und Dreidimensionalität in rastloser Gestaltung hingezogen."
Strassen, Bäume und Häuser erscheinen in einer veränderten, verzerrten
Perspektive innerhalb eines bi- bis dreidimensionalen Raumes, in dem Skulptur,
Malerei und Relief harmonisch koexistieren. Einfache Grundfarben stehen für die
Naturelemente. Das Braune der Erde, das Blaue vom Himmel. Das Gelbe aber eher
für die Bilder, die der gebürtige Rumäne aus der frühesten Kindheit im
Gedächtnis trägt: Es ist das warme, goldene Licht der Wüste, an deren Rand er -
in Be’er Sheva - seine ersten Israel-Jahre verbringt.
Das in
der Erinnerung angesiedelte Erlebnis kontrastiert mit der Großstadterfahrung,
die er zum ersten Mal in seinem achtzehnten Lebensjahr experimentiert.
"Wir
lebten genau am Ende der City. Eisenbahnschienen und nichts dahinter. Die Leere
in der Landschaft, Einsamkeit. Aus dem Fenster sah es aus wie der Landung auf
den Mond, ein leeres Planet. In dieser Landschaft ein Gebüsch, ein Baum, eine
Wolke und ein Gefühl von Leben…"
In ihrer
hochästhetischen Abstraktion lassen die zusammengefügten, aus zwei Holzblöcken
bestehenden Objekte letztendlich das Spannungsverhältnis zwischen Natur und
Kultur in Erscheinung treten. Eine Wirkung, die durch die Wahl der Formate noch
zusätzlich verstärkt wirkt: diese sind äußerst unkonventionell sowohl was die
Form als die eingesetzten Materialien angeht. Aus den feinen "Stillleben" auf
Canvas in den schwarz-grauen Tönen mit einem Hauch Rosa, die Berkowitzs
Produktion der Neunziger Jahre charakterisieren, kristallisieren sich zum
ersten Mal in der neuen Serie "The Bycicle Route" vom Jahre 2006 Landschaften,
die sich als flache Schatten, beinah "Flecken in Positiv und Negativ" auf die
Holzfläche projizieren. Erkennbar sind in häufig ungewöhnlicher Placierung –
schräg oder auf dem Kopf gestellt – die Konturen der im Bauhaus-Stil errichteten
Gebäude Tel Avivs, aus denen - wie durch ein Wunder - mal eine Palme oder eine
Blume herausschlüpft.
Pflanzen
wie jene, die in der Tat die unmittelbare Umgebung der zahlreichen Beispiele
rationaler Baukunst der 30er und 40er Jahre grün beleben, welche hier zum
Sinnbild einer unerfüllten Sehnsucht avancieren. Lebewesen begriffen in ihrer
Einsamkeit, isoliert wie der moderne Mensch vis-à-vis kahler urbaner
Siedlungen ohne humane Präsenz. Es ist eine zu Dekoration oder zu Symbol
reduzierte Natur, die zwischen Realität und Illusion schwankt und einen stillen
Dialog mit den Dingen führt, die der Mensch geschaffen hat. Ein Stoff, aus dem
Träume gemacht sind ….Aber was ist der Mensch ohne seine Träume…?
Arie Berkowitz:
Bauhaus-Spuren in
Tel Aviv
Holzarbeiten des israelischen Künstlers Arie Berkowitz im Zentrum für
Zeitgenössische Israelische Kunst, München...
Bauhaus-Spuren in Tel Aviv:
Ausstellung im Zentrum
für Zeitgenössische Israelische Kunst in München
Wie bei den Werkschauen der vorausgegangenen zwei Jahre geht das Zentrum für
Zeitgenössische Israelische Kunst in München auch in der Ausstellung
"Bauhaus-Spuren in Tel Aviv" auf Aspekte des Lebens und Denkens in Israel ein
und versucht gleichzeitig Verbindungen zur deutschen Kultur herzustellen...
Arie
Berkowitz: Bauhaus-Spuren in Tel Aviv
Holzarbeiten des israelischen Künstlers Arie Berkowitz
Dauer: 25. April – 15. Mai 2007
Zentrum für Zeitgenössische Israelische Kunst, München
Isabellastrasse 33, IOG – 80796 München, Tel: 089-288 06 353 Fax: 089-288 06 338
hagalil.com 08-05-07 |