Haus Freudenberg
VII. GRUNDRISSE
EG: Man betritt das Haus über zwei Stufen und erreichte nach
Durchschreiten des Windfanges die zentral angelegte Halle des Hauses. Zur linken
(im Südwestflügel) lagen das Empfangszimmer, das Herrenzimmer mit Bibliothek,
das Musikzimmer, sowie der Wintergarten. Zur rechten (im Nordostflügel) lag das
Speisezimmer, eine Veranda, sowie ein Kinderzimmer und Wirtschaftsräume.
Muthesius setze mit dieser Anordnung der Räume den Kompromiss zwischen Ausblick
zum Norden und Südausrichtung um.
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VERTIKALE ERSCHLIESSUNG |
Das Speisezimmer verfügte zwar über einen sehr guten Ausblick
zu den Rehwiesen, verzichtet im Gegenzug dafür jedoch auf eine Belichtung von
Süden. Das Herrenzimmer entging diesem Kompromiss durch den Anbau eines weit
ausgestreckten Erkers, der so die Südsonne einfing. Der Wintergarten mit seiner
nach Süden orientierten Glasfassade diente sowohl im Winter als Wärmepuffer für das dahinter
liegende Musikzimmer, wie auch als Winterdepot frostgefährdeter Pflanzen des
Gartens. Es ist zu bemerken, dass diese Räume nacheinander handwerklich sehr
aufwendig ausgestattet wurden, wobei Freudenberg den Anregungen von Muthesius
gefolgt ist. Bei der Möblierung dieser Räume ist (für damalige Verhältnisse)
trotz Repräsentationsbedürfnis stark auf Wohnlichkeit Rücksicht genommen worden.
Blick in das
Musik-Zimmer
OG:
Das Obergeschoss erreichte man über eine ellipsenförmig
geschwungene Treppe in der Halle. Direkt der Galerie der Halle vorgelagert und
im Zentrum des Hauses war das Schlafzimmer des Ehepaares Freudenberg. An das
Schlafzimmer schloss sich ein Ankleidezimmer sowie ein Bad an. Außerdem fanden
sich im Südwestflügel drei großzügige Gästezimmer sowie ein Kinderarbeitszimmer.
Der Nordostflügel war der Unterbringung der Kinderschlafzimmer sowie den
Räumlichkeiten des Kindermädchens vorbehalten.
DG:
Das Atelier als Multifunktionsraum bildete das Zentrum der
obersten Etage. Drei weitere Logierzimmer zur linken und Räume für das
Hauspersonal zur rechten des Ateliers rundeten die Nutzung ab.
Treppen:
Neben der Haupttreppe in der Halle erschloss sich das erste
Obergeschoss über ein Nebentreppenhaus, von dem vorwiegend das Personal und die
Kinder Gebrauch machten. Wiederum zwei Nebentreppen erschlossen, links und
rechts vom Schlafzimmer der Freudenbergs liegend, das darüber liegende
Dachgeschoss.
Abschließend muss erwähnt werden, dass das Haus Freudenberg in
Bezug auf die Räumlichkeiten und deren Ausstattung für das Hauspersonal deutlich
über dem damals üblichen Standard lag. Ebenso ist bemerkenswert, dass das
gesamte Haus mit elektrischem Licht und wie selbstverständlich mit einer großen
Anzahl von Bädern ausgestattet wurde. Hieran lässt sich noch heute über die
Grundrisse der hohe Anspruch an Komfort und Bequemlichkeit der Bauherren
ablesen.
VIII. WOHNBEREICH DER
KINDER
Besonders bemerkenswert war an der Konzeption des Hauses
Freudenberg auch der hohe Stellenwert, der dem Lebensbereich der Kinder
zugedacht wurde.
So wurde abweichend vom damals und leider auch noch heute
üblichen Standards den Kindern ein eigener Trakt zugestanden, der in sich alle
für die Kinder wichtigen Funktionen vereinte, jedoch keine Abschottung der
Kinder von den Eltern vornahm. Ein eigenes Treppenhaus machte die Kinder
unabhängig von gesellschaftlichen Veranstaltungen ihrer Eltern.
Das im Erdgeschoss befindliche Kinderzimmer bot genügend
Platz, um auch mit anderen Kindern zu spielen. In der kalten Jahreszeit oder bei
schlechtem Wetter bot dieses Zimmer auch Möglichkeiten, innerhalb des Hauses
kleinere Kinderfeste zu veranstalten. Zu bemerken ist noch, dass dieser Raum
direkt nach Süden ausgerichtet war.
Im Obergeschoss fiel ein eigenes für die Kinder abgeteiltes
Kinder-Arbeitszimmer auf, das wiederum nach Süden ausgerichtet war. Dieser Raum
diente wahrscheinlich dem privaten Schulunterricht der Kinder. Im Nordost-Flügel
des ersten Obergeschosses fanden sich drei Kinderschlafzimmer, ein Bad sowie ein
angegliedertes Appartement für die Gouvernante. Zwei der Kinderschlafzimmer, wie
auch des Appartement des "Fräuleins verfügten zusätzlich über eine
Austrittsmöglichkeit auf davor liegende Balkone. Auch in diesem Geschoss war
über eine kurze Verbindung durch die obere Halle (Galerie) das
Elternschlafzimmer schnell zu erreichen.
Das Dachgeschoss verfügte über ein äußerst geräumiges Atelier
mit eigener Bühne. Diese Bühne diente der Aufführung von Theaterstücken eigens
für die Kinder. Gleichzeitig konnte die übrige Fläche des Ateliers zum Turnen
und aus- gelassenem Spielen durch die Kinder genutzt werden. Das Atelier stellt
in diesem Sinne einen Multifunktionsraum für alle erdenklichen Aktivitäten der
Freudenbergschen Kinder dar!
Anhand der Flächenzuweisung und der Ausrichtung der Räume wird
deutlich, welchen großen Wert das Ehepaar Freudenberg auf möglichst optimale
Entwicklung und Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder gelegt haben.
IX. KONSTRUKTION UND
ERSCHEINUNG
Blick eines Besuchers
Es
handelt sich um ein massiv gebautes Haus mit den damals üblichen Decken aus
Holz. Vermutlich sind die Hohlräume zwischen Unterdecke und dem Fußbodenaufbau
des darüber liegenden Geschosses verfüllt worden, um eine Geräuschbelästigung
innerhalb des Hauses zu mindern.
Die Fassade ist aus Rathenower Handstrichziegeln im
Blockverband errichtet worden. Zur Auffahrtsseite hin streckt sich ein aus
Fachwerk gebildeter Giebel vor, der dem Eingang Schutz und Schatten spendet und
zugleich die Eingangssituation aus der Ferne erkennbar macht.
Um jedoch einen harten und abweisenden Charakter dieser
Backsteinfassade zu vermeiden, erhielten alle Fenster eine breite, weiße
Rahmung. Sämtliche Fenster sind bündig an der Außenfassade angeschlagen.
Aufgrund des Einflusses des Kontinentalklimas in Berlin wurden Kastenfenster in
allen wichtigen Räumen eingebaut. Die äußeren Fensterflügel öffneten sich nach
außen, während die inneren Flügel raumseits zu öffnen waren. Lediglich
untergeordnete Räume, sowie der Wintergarten, waren einfach verglast. Um einen
harmonischen Gesamteindruck des Hauses zu erreichen, wählte Muthesius graue
holländische Tonpfannen, damit die relativ großen Dachflächen thematisch nicht
überbewertet wurden. Außerdem war Muthesius der Meinung, dass diese Pfannen
besser zu der Farbe der Ziegelwände passten, als das Rot der übrigen Dachziegel.
Zu den Rehwiesen hin ist der zweite große Giebel des Hauses ebenfalls mit diesen
grauen Ziegeln verkleidet worden.
Es ist auffällig, dass Muthesius aus dem inneren Grundriss
heraus in die Natur übergreift. Dies erreicht er z.B. über die Achsverlängerung
des Esszimmer-Erkers durch eine langgestreckte Pergola. Dem Wohnbereich wird
durch die der Halle vorgelagerten ovalen Pergola ein Zwischenraum zugeordnet,
der zwischen Innen und Außen vermittelt. Die große Terrasse zu den Rehwiesen
bietet neben der Aussicht auch die besten Möglichkeiten in den Sommermonaten den
Wohnbereich in die Natur zu erweitern. Durch den Ausblick in die Rehwiesen und
die Ausrichtung auf den Sonnenuntergang bot sich hier der ideale Rahmen auch für
gesellschaftliche Anlässe.
Das Gebäude erreicht seine volle Wirkung über die Einrahmung
von Terrasse, Vorhof, Rosen-, Blumen-, und Tiefgarten. Das Haus wird edel
eingefasst; erst dann setzen Naturhang und Kiefernwald ein.
X. GESCHICHTE DES
HAUSES
Nach dem Einzug der Freudenbergs in das Haus spielte sich dort
das Privatleben einer sehr vermögenden, künstlerisch anspruchsvollen und
gesellschaftlich angesehenen Familie ab. Nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten 1933 verschlechterte sich die Situation der Familie
Freudenberg kontinuierlich. Parallel zu der gesellschaftlichen Ächtung und
Ausgrenzung der Juden verloren die Freudenbergs in zunehmenden Maße ihre
Grundrechte. Die "Reichskristallnacht markierte lediglich den Weg, der sich
potenzierenden Gewalt gegen Bürger jüdischen Glaubens.
1937 erfolgte die
Enteignung der Familie Freudenberg, um das Gebäude zu "arisieren. Der Architekt
A. Hunnecke erwarb das Gebäude und wandelte es 1937 bis 1938 in eine Diät- und
Kurklinik um. Das Ehepaar Hunnecke lebte bis 1971 im Haus Freudenberg und
nahm negativen Einfluss auf Zustand und Erscheinung des Anwesens. So stellte
1971 Herr Hunnecke einen Antrag auf Abbruch des Hauses Freudenbergs, was
vermuten lässt, dass der Architekt A. Hunnecke nie den künstlerischen und
architektonischen Wert des Hauses erkannt hat.
Lediglich der persönlichen Initiative von Frau Anna Toit, die
dem Planungsbeirat der Stadt Berlin angehörte, ist die Rettung des Gebäudes zu
verdanken. Eine Kompromißlösung, durch Neubebauung des Grundstückes zur
Potsdamer Chaussee hin, war Ergebnis Ihrer Bemühungen.
1975
erfolgte der Umbau durch Hunnecke zum Mehrfamilienhaus. Die zwei Umbaumaßnahmen
durch eben diesen Architekten führten dazu, dass heute lediglich noch die
Fassade des Hauses Freudenberg in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten ist.
Heutiges Bild ohne Sprossenfenster
Verlust an Ausdruckskraft
Die Bebauung zur Potsdamer Chaussee, die ebenfalls von
Hunnecke entworfen wurde, fand ihre Erwähnung bereits in Punkt III (Grundstück).
Über das weitere Schicksal der Erbauer, die so großen Einfluss
auf den Entwurf und Bau genommen haben, konnten wir leider nichts verbindliches
herausfinden. Trotz der sehr freundlichen Hilfe seitens Yad Vashems (Shoah-Gedenkstätte
in Jerusalem, Israel) lässt sich nicht klären, ob die Familie Freudenberg den
Holocaust überlebt hat.
IX. QUELLENVERZEICHNIS
Mit freundlicher Unterstützung von:
Verwendete Literatur:
-
Hermann MUTHESIUS - LANDHÄUSER
-
F. Bruckmann AG, München
1912
-
Michael RABURN - BAUKUNST DES ABENDLANDES
-
Deutsche Verlagsanstalt
GmbH, Stuttgart 1982
-
Henry STIERLIN - ENZEKLOPÄDIE DER WELTARCHITEKTUR
-
Benedict Taschenverlag GmbH,
Köln 1994
-
LEUTHÄUSER / GOSSEL - ARCHITEKTUR DES 20.JAHRHUNDERTS
-
Benedict Taschenverlag GmbH,
Köln 1990
-
Nikolaus PEYSNER
ARCHITEKTUR UND DESIGN
-
Prestel Verlag, München 1971
-
Online:
www.ARCHINFORM.de
INHALTSVERZEICHNIS
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